OK Erdorf, du Atomschlingel
Deine Frage finde ich nach wie vor unnötig und im übrigen kontraproduktiv.
Erstens: Du baust hier ne bessere Welt und stellst dieser Welt den „Dämon Atomkraft“ der an allem Schuld ist gegenüber. Diese Spiel mache ich auch philosophischen, menschlichen und anderen Gründen nicht mit.
Zweitens: Vieles von dem was du ansprichst hat nur höchstens indirekt mit Atomkraft zu tun und zu anderen teilen gar nichts. Das sind Auswirkungen des naiven und bedingungslosen Fortschrittsglaubens der 50er 60ger Jahre zu tun. Außerdem: bei weniger als 25 % Atomkraft (und selbst so viel in den 60/70er Jahren noch lange nicht) können die Auswirkungen gar nicht sooo groß sein.
Drittens: Ich sehe überhaupt nicht ein aus der Beschäftigung mit Atomkraft noch irgendwelche Erkenntnis zu ziehen. Das ist vorbei. Lassen wir die Toten ruhen. Die ziehe ich aus dem, was jetzt schon knapp die Atomkraft überholt hat und das Thema der Stunde ist: die Erneuerbaren Energien.
An einem Punkt geb ich dir recht: Wer nicht weiß wo er herkommt weiß auch nicht wo er hingehen soll oder wird. Zukunftsvisionen werden auch aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit entwickelt
Gehen wir mal in die 50 iger. Da herrschte halt ein bedingungsloser Fortschrittsglaube.
Man kann es den Leute nicht die Bohne übel nehmen.
Die Familie konnte in einer richtigen Wohnung wohnen. Manche sogar schon im eigenen Haus. Der Papa hatte nen sichern Job in einer Firma die sogar noch nach neuen Arbeitern gesucht hat Da gab es einen Gasherd, den man nur aufdrehen und anzünden musste einen Boiler wo einfach so warmes wassre rauskam, Im neuen Kühlschrank war reichlich Wurst Käse und am Sonntag gabs sogar nen Braten. Es gab ein Bad wo es nicht nur warmes Wasser am Waschbecken sondern sogar eine Badewanne gab. Im Keller stand schon eine der ersten Wachmaschinen, die Hausfrau hatte ne elektrische Nähmaschine der Papa schon einen der ersten VW Käfer mit dem er zu Arbeit fahren konnte und am WE nen Ausflug mit der Familie machen konnte und danach sogar in einer Garage parken konnte. Die ersten konnten es sich sogar schon leisten im Sommer Urlaub in Italien zu machen mit ihrem Auto.
Die Familie neben dran hatte zwar keinen VW – dafür aber einen der ersten Fernseher
ein Radio hatte dafür fast jeder und im Kino gab es sogar schon 3 dimensionale Filme zu sehn – zunehmend sogar in Farbe! Und da liefen Sendungen mit Visionen von Weltraumfahrt und neuen elektronischen, höchst wissenschaftlichen Maschinen, genannt Computer. Bald war auch der erste Mensch im All und die ersten Satelliten umkreisten die Erde.
Stell dir den Kontrast vor wie Deutschland noch 10 Jahre zu vor ausgesehen hat: Wer in den zerbombten Städten wenigstens 3 Wände hatte und ein halbes Dach gehörte ja schon eher zu den Glücklichen.
Für das bisschen Essen musste man Schlange stehen und organisieren und tauschen auch die Kinder mussten mittags s noch Holz sammeln gehen und beim organisieren helfen.
Und auch an Arbeit und Geld gabs fast nichts
In den Köpfen noch Bilder von unsagbarem Schrecken - von Toten und zerfetzten Körpern. Und bei der einen Familie war der Mann nicht aus Russland zurück gekehrt bei der nächsten hatte der Onkel ein Bein abgeschossen bekommen und bei der dritten war gar die Tochter beim Bombenangriff gestorben.
Den Menschen in den 50 iger Jahren hingegen ging es gut. Verdammt gut! Geradezu unsäglich gut! Die wollten all das vergessen und hatten Ihren neuen Glauben gefunden: Technik Technik Fortschritt Fortschritt! (hier in Deutschland natürlich vor allem noch : Wirtschaftswunder) IN diesen Fortschrittsrausch passte dann in den 60gern die neue Atomkraft perfekt rein. Wer hätte damals dagegen sein können? Die Menschen haben es drastisch an ihren endlich wieder vollen Mägen gespürt, an der warmen Wohnung im Winter und und und All das kam durch Technik und Fortschritt ( Ich wäre damals wahrscheinlich auch so gewesen.) Die Atomkraft hat das nur erweitert um die Vision unerschöpflicher elektrischer Energie – mehr nicht ( und wie gesagt es ging noch lange bis mal ein nennenswerter Prozentsatz an Atomstrom zusammen kam.)
Atomkraft in den 60iger Jahren war eine äußerst humane friedliche wohlstandssichernde Technik (bekomme ich jetzt Schläge^^) Bedenke mal was die Leute zuvor von Atomspaltung gehört hatten: Hiroshima und Nagasaki. Jetzt konnte man das Gegenteil damit machen : Menschen Wohlstand und Energie geben - völlig sauber und sehr billig.
Nur dass damals niemand was über Sicherheitsrisiken wusste oder was ein Super Gau ist oder wie denn die Endlagerung gelöst werden soll oder all diese Risiken wurden in dem damaligen Sturm des Fortschrittswahn einfach verdrängt.
Was ich damit sage ist: was du hier beschreibst oder postulierst ist kaum eine Folge der Atomkraft. Das ist eine Folge des blinden naiven Fortschrittswahns der 50er/60er Jahre. Atomkraft ist da nur ein kleiner Teil davon und auch erst seit den 60er Jahren – schon in den 70igern kam allmählich der Umbruch. 79 schließlich die erste bekannt gewordene Katastrophe in Harrisburg. Diesen Dämon den du hier Postuliert hat es nie wirklich gegeben. Was es gab waren Menschen die anfingen nachzudenken über all die Risiken die in dieser Technik liegen, die gesagt haben : Diesen Wahn dürfen wir nicht fortsetzen. Dazu kam die aufkeimende Ökologie -bewegung, die Grünen Umweltschutzverbände, biologischer Anbau und und und. Man hat nicht nur über Atomkraft nachgedacht sondern allmählich auch über Co2 und Kohlekraft und so ist die Vision von erneuerbarer Energie entstanden.
Heute haben wir 20 %, etwas mehr oder weniger oder genauso viel wie Atomstrom – spätestens ende nächsten Jahres haben die erneuerbaren endgültig dem Atomstrom den Rang abgelaufen und wenn es gut weiter geht 2022 schon längst aufgefressen und noch ein paar Kohlekraftwerke dazu.
Ich lehne den Dämon den du hier postulierst total ab. Atomkraft war ursprünglich genau so human konzipiert wie heute erneuerbare Energie – als Kontrast zur Atombombe und um den Menschen zu dienen.
Dann hat man halt die Teufelsfratze erkannt die in ihrem sauberen Mäntelchen steckte und daß der Unterschied zur Bombe gar nicht so groß ist und sich zunehmends von Ihr abgewandt und das ist auch gut so. Spätestens in Tschernobyl habens alle gesehen.
Die Dämonisierung lehne ich auch deshalb ab weil ich das Sündenbock-Prinzip grundsätzlich ablehne weil das nichts bringt und selbst ne heftige Luge beinhaltet.
Das war ein Glauben damals – mehr nicht.
Heute sieht die Welt anders aus und vor allem auch die Menschen haben sich geändert
Meine Eltern gehören noch dieser Generation an die in diesem Fortschrittsglauben aufgewachsen sind. Als ich um 1980 in unserer Toilette eine Mechanik anbringen wollte um wasser zu sparen hab ich dafür noch nen Anschiss kassiert. Spinnerei hieß das damals
- im schlimmsten Fall war man sogar ein dreckiger Kommunist wer sich mit solchen Ideen beschäftigt hat.
Heute haben meine Eltern eine solarthermische Anlage auf dem Dach und sind begeistert davon. Sie spielen mit dem Gedanken den Rest des Daches noch mit Photovoltaik zu bestücken um noch mehr in diese Richtung zu gehen und mehr Geld zu sparen.
Wenn ich jetzt mal zurück gehe zu dem oben skizzierten 50/60ger Jahre-Haus(Wohnung und das mit den heutigen Möglichkeiten vergleiche, dann sieht das so aus:
Dann haben wir ein Passivhaus das fast null Heizkosten hat. In der Küche keinen Gasherd mehr sondern ne Induktionskochplatte die viel weniger Energie benötigt als der Gasherd (und neben bei auch noch ungefährlicher ist) Das Warmwasser in der Küche und auch im BAD kommt aus de solarthermischen Anlage auf dem Dach, benötigt also keine externe Versorgung. Der Kühlschrank ist ein moderne mit gigantisch niedrigerem Stromverbrauch als ein Kühlschrank aus den 50ern. Im Bad ist ein Wärmetauscher eingebaut der die wärme des Abwassers wieder zurück gewinnt und einmal baden nur noch 40% der bisherigen Energie verbraucht. Das warme Wasser für die Waschmaschine kommt ebenfalls aus der Solarthermieanlage und senkt damit enorm den bedarf an elektrischer Energie. Die wiederum wird über eine Fotovoltaikanlage und (wo sind wir denn hier^^) ne Windturbine erzeugt, die zusammen soviel Strom erzeugen daß sie das Elektroauto auch noch mit versorgen.
Ich kann heute noch komfortabler leben als früher (bzw wie noch in über 99% der bestehenden Wohnungen) - verbrauche aber trotzdem viel weniger Energie.
Wo gibt es da ein Atomkraftproblem?
Wer sich darüber hinaus irgendeinen elektronischen Schnickschack leistet (bei mir ist es zB ein Videobeamer) dann ist der Energiebedarf trotzdem noch niedriger als in einem herkömmlichen Haus oder Wohnung.
Gleich im ersten Satz will ich dir widersprechen: es ist eben NICHT immer schwerer Energie zu gewinnen - im Gegenteil: es ist immer leichter. Photovoltaik wird immer billiger und bald schon haben wir grid parity erreicht. Danach werden die Preise weiter purzeln und organische PV und Grätzelzellen machen große Hoffnung für eine bessere Integrierbarkeit in unsere Kulturlandschaft und noch niedrigere Kosten. Solarthermische Anlagen kann man zum Teil selbst bauen und - brauch ich hier ja wohl keinem zu erklären - Kleinwindkraftanlagen auch.
So Erdorf, jetzt hab ichs dir aber mal gezeigt
Nein – in den meisten punkten stimmen wir ja wohl voll überein was unsere Energiezukunft anbelangt
Nur: Verzichts - konzepte motivieren einfach nicht und wenn höchstens nen winzigen Teil der Bevölkerung. Auch Fakten über die Klimakatastrophe oder Bilder von Tschernobyl-Opfern bringen da wenig.
Wenn ich aber all das mal beiseite lasse und dem 0815 Bürger vorrechne dass er in vielen punkten noch komfortabler leben kann als bisher, bei viel geringerem Energieverbrauch und drastisch niedrigeren Kosten und ihm somit garantieren kann daß seine Wohnung auch noch in 20 Jahren Im Winter warm Ist während der Nachbar seinen halben Jahreslohn auf Heizöl verschwendet dann kann ich überzeugen und aktiven Umweltschutz betreiben – alles nur ne frage der Technologien! Und wenn er dann halt sagt: Mein Wasserbett gebe ich aber nicht her! Dann kann ich sagen : gut, du wirst ja einen Überschuss an Strom produzieren - betreibst du halt dein Wasserbett und/oder deine Super- Powerstereoanlage oder deinen Whirlpool oder weiß Gott was für nen schnikschnak du haben willst damit.
Belastest damit immer noch nicht unsere Kraftwerke.
Drum: oral pro nobis et nunc et semper in fidibus. Amen