Turbulenz

für Windenergieanlagenbauer
 
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Turbulenz

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Gepostet: 20.01.2014 - 09:42 Uhr  ·  #1
Wird ein fester Körper wie bspw. ein Rotorblattprofil umströmt, so ist um ihn herum die "Grenzschicht" (GS). Ausserhalb der GS ist die Aussenströmung, die man mit sehr hoher Genauigkeit als reibungsfrei betrachten kann. In der GS haften die Luftteilchen an Festkörper, aussen geht sie in die Aussenströmung über.
Nichts neues: Es gibt zwei verschiedene Arten von Strömungen:
Zum einen die laminare Strömung und zum anderen die turbulente Strömung, in einer GS kann beides vorliegen.
Die Luftteilchen in der GS einer laminaren Strömung kann man sich so vorstellen, wie wenn man einen Stapel Papier, der auf dem Tisch liegt, verschiebt. Entlang einer Oberfläche bewegen sich die Luftteilchen also alle parallel zur Oberfläche.
Im Gegensatz dazu ist es bei der turbulenten Strömung so, dass sich die Luftteilchen zusätzlich ungeregelt, also auch senkrecht zur Oberfläche eines Körpers bewegen. Hier handelt es sich nicht um die Brownsche Molekülbewegung, sondern die „Zitterbewegungen“ sind etwas größer.
  • Eine laminare Umströmung eines Körpers, sofern sie gelingt, ist widerstandsärmer als eine turbulente Umströmung.
  • Eine laminare Strömung hat gegenüber der turbulenten Strömung den Nachteil, dass diese sich leichter von einem Körper ablöst, was einen drastisch erhöhten Profilwiderstand verursacht.

Bei Profilen von Windenergieanlagen, Segelflugzeugen und auch Modellflugzeugen setzt man daher im allgemeinen "Laminarprofile" ein. Dies sind Profile, die auf der Unterseite und auf der Profiloberseite bis zur größten Dicke einen laminaren Strömungszustand haben, der dann turbulent wird (Das ist ein anderes Thema).

Nun zum eigentlichen Thema, dem Begriff der Turbulenz für Windenergieanlagenbauer:
Profilentwickler benutzen das Wort "Turbulenz", um ganz kleine Schwankungen entlang der Profiloberfläche zu beschreiben. Diese Bezeichnung ist eigentlich etwas schlampig, denn zum Begriff "Turbulenz" gehört eigentlich immer der so genannte "Turbulenzmaßstab". Dieser bezeichnet die Länge, mit der die Fluidballen beziehungsweise die Luft schwanken. Bei Profilen ist das in einer Größenordnung von (mir) geschätzten 5/1000 bis 5/100 mm.

Und hier tritt ein Missverständnis vieler Windenergieanlagenbauer auf: Für diese ist Turbulenz immer gleich Turbulenz. Dies ist nicht korrekt. Wird eine Windenergieanlage turbulent angeströmt, so sind der Turbulenzmaßstab der Atmosphäre groß; Der Turbulenzmaßstab liegt hier im Bereich von mir geschätzten 1 Meter. (Das kommt natürlich auch darauf an; stellt man eine Windenergieanlage direkt hinter einer Hausecke auf, so ist der Turbulenzmaßstab sicherlich kleiner und für Klein-WEA ist der Turbulenzmasstab auch kleiner als für Rotoren, die in 50m Abstand von der Erdoberfläche anfangen).
In diesem Falle - trotz turbulenter Anströmung - ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Strömung um die Rotorblattprofile der Windenergieanlage laminar und nicht turbulent ist. Eine turbulente Anströmung hat somit nur in Ausnahmefällen mit einer laminaren oder turbulenten Umströmung der Rotorprofile zu tun, da der Turbulenzmaßstab ein anderer ist.

Weiterhin ist es so, dass eine turbulente Strömung nicht unbedingt schädlich für die Leistung einer Windenergieanlage ist (eine Argumentation, die scheinbar auch verwendet wird, um die schlechte Leistungskurve einer Windenergieanlage zu rechtfertigen). Dies liegt daran, dass die Leistung des Windes mit der dritten Potenz der Strömungsgeschwindigkeit wächst. Im unteren Geschwindigkeitsbereich, in dem WEA i.A. den besten Wirkungsgrad bringen, ist der Verlauf der Leistungskurve einer Windenergieanlage somit kubisch. Und in diesem Bereich wird durch die Turbulenz der Anströmumg die Leistung einer Windenergieanlage erhöht und nicht reduziert. 10 % Turbulenz der Anströmung bedeuten immerhin etwa 2 % Leistungserhöhung im kubischen Bereich der Kurve.
Im Bereich, in dem sich die Krümmung der Leistungskurve umgekehrt ist, wird die Leistung reduziert.

Der Arminius

Mit Bitte um Rückmeldung, um missverständliche Passagen zu beseitigen.
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Turbulenz Addendum Beispielrechnung

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Gepostet: 05.08.2014 - 16:31 Uhr  ·  #2
Hallo!
Eine kleine Erläuterung zur Turbulenz und Auswirkung auf die Leistungskurve. Ich mache dazu ein Beispiel mit einfachen Zahlen.
Annahmen:
1) Vereinfacht verändert sich im unteren Bereich die Leistung einer WEA in etwa kubisch mit der Windgeschwindigkeit. Das bedeutet, dass bei doppelter Windgeschwindigkeit die Leistung 8x so hoch ist.
2) In diesem Bereich ist auch i.A. die höchste Effizienz der Anlage zu finden.
3) Turbulenzgrad eine Messung bedeutet, dass im so genannten "Windbin", also in den Sekunden der Messung, die Windgeschwindigkeit um einen gewissen Betrag variiert.
4) Als "C" bezeichne ich Fläche des Rotors mal Luftdichte mal Wirkungsgrad durch 2.

Beispiel:
Wir haben die Leistung bei 5 m/s Wind und hier 20% Turbulenz. 20 % von 5 ist 1.
Die 20% Turbulenz bedeuten also, dass die Windgeschwindigkeit von 5+-1, also von 4-6m/s Wind variiert.

Hätte man gar keine Turbulenz, so ist die Leistung 5 hoch 3 = 125 * C,
Jetzt die Sache mit Turbulenz: 4^3 = 64, 5^3 =125, 6^3 = 216
Und das Arithmetische Mittel ist (64+125+216)/3 = 135
Die Leistung der Anlage ist also 135 *C.
Somit bewirken bei 5 m/s 20% Turbulenz eine um 8% erhöhte Leistungskurve und das optimale cp in diesem Bereich wird um 8% erhöht.
Bei 10% Turbulenz beträgt die Erhöhung übrigens nur 2%- auch hier sind die Zusammenhänge kubisch.

Der Arminius
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Re: Turbulenz

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Gepostet: 05.08.2014 - 17:20 Uhr  ·  #3
und wenn sich die Turbulenz nach Gauß verteilt?

Hab da nämlich auch schon den Kopf gekratzt. Hab ne Messung am Laufen, die mir ein Zeitliches Mittel und den Maximalwert der Zeitspanne liefert. Bislang rechne ich mit dem Mittel, aber der kubische Zusammenhang würde es nahelegen eben auch den Maximalwert zu berücksichtigen.

Wenn ich sagen wir mal Mittel 4m/s und Max 5,3m/s habe dann sollte es naheliegend sein, dass der Min irgendwo um 2,7 liegen müsste aber wie verteilen sich die Werte dazwischen ... ???
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Re: Turbulenz

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Gepostet: 05.08.2014 - 21:03 Uhr  ·  #4
HAllo!

Jetzt werde ich unkonkret; ich weiss:

Gauss sagt letztendlich, dass 95% innerhalb von gewissen Schranken liegen.
Über die 95% und warum genau 95 genommen werden habe ich mir nie Gedanken gemacht.
Allerdings habe ich mir die Normen genommen, mit denen die Leistung bestimmt wird und in denen ziemlich komplexe Formeln stehen.
Die habe ich so umgeformt, dass das herauskommt wie ich im Beitrag oben beschrieben habe.
Eine einfache Poisson-Glättung ist das -habe ich festgestellt

Problem bei jeder Messung ist ja, dass alle bei einer unterschiedlichen Turbulenz gemacht wurden. Aber dann sind die verschiedenen Messungen bzw. Anlagen nicht vergleichbar. Aber meine Aufgabe war, zu vergleichen. Und dann kam ich auf die relativ einfachen Zusammenhänge.

Meistens habe ich mich dabei auf diesen Artikel gestützt, in dem auch Messungen sind:
DEWI Magazin Nr. 24, Februar 2004; Turbulenzkorrektur von Leistungskennlinien
Dr. H. van Radecke, FH Flensburg und DEWI Wilhelmshaven 2003

Der Arminius
Vielleicht schickst Du mir per pn die Zahlen und vielleicht fällt mir etwas ein.
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