Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

Interpretation von Ca und Cw Werten
 
Micha_hippie
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Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 08.01.2011 - 17:35 Uhr  ·  #1
Hallo,

mal eine Frage an die Aerodynamiker hier im Forum: ich habe verschiedene Diagramme von NACA Profilen im Internet (über Wikipedia) gefunden: http://naca.central.cranfield….rt-460.pdf Allerdings hab ich probleme bei der Interpretation dieser Schaubilder.

Mir geht es speziell um das NACA 4418 profil auf Seite 23. Kann man mit Hilfe solcher Diagramme den Anströmwinkel alpha erkennen, bei dem die Luftströmung anfängt turbulent zu werden? Falls ja, ist das der Punkt des Maximums der Ca-Kurve auf dem linken Diagramm? Oder ist es auf dem rechten Diagramm zu erkennen, an dem Punkt der alpha-Null-Kurve den größsten Ca (bzw. im englischen Cl) Wert annimmt? Eigentlich müsste bei beiden Kurven ja auch die selben Werte rauskommen, die sind ja nur gedreht - macht es aber nicht. Ich bin verwirrt :-|

Wäre super, wenn mir jemand dabei helfen könnte, die Sachen richtig zu verstehen. danke schon mal

Viele Grüße Micha
Pleiades
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Re: Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 08.01.2011 - 23:39 Uhr  ·  #2
Hallo Micha,

ich bin zwar kein Experte auf dem Gebiet, aber hier mal meine 2 Cent dazu:

Ab wann an einem Tragflügel die Strömung turbulent wird, hängt von der Reynoldszahl ab, nicht vom Anstellwinkel. Und eine turbulente Strömung gibt es ab einer gewissen Geschwindigkeit (die in die Reynoldszahl mit einfließt) an jedem Tragflügel.
Meinst du stattdessen vielleicht den Winkel des Tragflügels, ab dem es zu einem Strömungsabriss und damit verbundene Auftriebsverlust kommt?
Wenn du davon sprichst: Ja, wie du schon richtig vermutest hast, ist es der Punkt des Maximums der Ca bzw Cl-Kurve - dort, wo der Graph mit diesem "CL" gekennzeichnet ist. Liegt bei diesem Profil bei grob 21 Grad oder so. By the way: Nimm zum Ablesen das linke Schaubild - das rechte ist m.E. nicht für Realbedingungen.

So, das war die Kurzversion der Antwort. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen, Micha! :)

Ich hab mich dann noch ein bissl weiter mit den Diagrammen beschäftigt, muss aber an dieser Stelle sagen, dass ich trotz Nachlesens nicht 100%ig aus dem Fachenglisch schlau werde. Alles was jetzt kommt, ist also ne Mischung aus Wissen und "intelligent guessing":

Wieso sich die beiden Schaubilder unterscheiden.
Die beiden Schaubilder stellen zwar das gleiche NACA-Profil dar, gehen aber in der Diagrammlegende von unterschiedlichen Voraussetzungen aus:

"Corrected for tunnel-wall-effect":
Das Linke geht davon aus, dass das Profil zum einen eine begrenzte Länge hat und zum anderen mit der einer Seite an der Wand des Winkanals befestigt ist und dort anstößt (deshalb würde ich auch zum Ablesen die Daten des linken Schaubildes nehmen - es ist einfach näher an der realen Strömungsmechanik eines Flügels als was das zweite Schaubild beschreibt ;) ).

"Corrcted for infinite aspect ratio"
Beim Rechten wird der Flügel als idealisiert-unendlich lang angenommen. D.h. er besitzt keine Flügelende, worüber die Strömung einen Druckausgleich zwischen Unter- und Oberseite herstellen kann (in der Realität wird bei Flugzeugen durch zB Winglets genau das probiert zu minimieren - denn es kostet Auftrieb und Energie).

Warum sind nun beide Diagramme "corrected" bzgl dieser beiden Grundannahmen?
Meine Interpretation: Die Strömungsverhältnisse im Windkanal lassen sich wohl nicht ohne weiteres 100%ig auf die Realität übertragen. Schon allein weil hier die Strömung nicht von Wänden begrenzt wird, was das Verhalten wohl beeinflusst. Zudem gibts sicherlich Verwirbelungen an der Befestigung des Tragflügels usw. Bei den Werten des linken Schaubilds hat man wohl also die Effekte der Wände des Windkanals etc auf die Strömung herausgerechnet. Beim rechten hat man gleich das ganze noch rechnerisch idealisiert nach dem Motto: "Was wäre, wenn das Profil unendlich lang wäre". Warum man das mit der unendlichen Länge macht? Gute Frage. Meine Vermutung: Vlt um durch den Unterschied der Werte Rückschlüsse auf den Einfluss der Wirbelverluste am Flügelende auf die Strömung zu ziehen.

Nun ist es so, dass der Abrisswinkel beim Schaubild links bei ca 21 Grad liegt, beim rechten bei ca 15. Und das irritiert mich.
Wieso reißt die Strömung eines Profils, das auf Grund fehlender Druckausgleichswirbel am Flügelende eigentlich effizienter ist, früher ab, als bei einem Profil MIT Druckausgleich über die Flügelspitze? Weshalb lässt dieser Unterschied die Strömung länger anliegen? Vlt vergleiche ich hier auch Äpfel mit Birnen. Oder es kommt genau WEGEN der Ausgleichswirbel am Ende (zumindest in Bereich am Flügelende) zu einem quasi "Auffüllen" des Unterdruckgebietes auf der Flügeloberseite, was einen größeren Anstellwinkel ermöglicht.

Für diesen Teil des Problems hab ich schlichtweg keine Erklärung. Weiß einer hier im Forum wo des Rätsels Lösung liegt?
Und falls ich sonst irgendwo Quatsch erzählt oder interpretiert hab, wär ich ebenfalls für Feedback dankbar ;)

Gruß
Thorsten
Micha_hippie
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Re: Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 09.01.2011 - 11:44 Uhr  ·  #3
Hallo Thorsten,

danke für deine sehr ausführliche Antwort. Ich denke mal, ich hab das soweit begriffen. Aber mit dem Verständnis für das Fachenglisch bist du nicht allein. geht mir wirklich genaus so. ;)

Allerdings bleibt die Frage noch ungeklärt, wie groß die kritische Reynoldszahl für eine Profilströmung ist. Ich habe eine Seite gefunden, die von Rekrit=500 000 ausgehen. Kann man diese Zahl verwenden oder muss man die anders ansetzen?

Bei einer Stall-Regelung des Rotors muss also den konstruktiven Anstellwinkel so einstellen, dass Re bei der gewünschten Geschwindigkeit, zumindest an Teilen des Flügels, größer als Rekrit wird und somit die Leistungsaufnahme gedrosselt wird. Oder haben diese lokalen Strömungsabrisse einen so großen Einfluss auf die restliche laminare Strömung, sodass der rest des Flügels ebenfalls nur noch tubulent umströmt wird? Das wäre ziemlich doof...

Grüße
Micha
XXLRay
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Re: Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 09.01.2011 - 12:58 Uhr  ·  #4
Micha_hippie
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Re: Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 09.01.2011 - 13:31 Uhr  ·  #5
Nein, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Danke
Pleiades
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Re: Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 09.01.2011 - 14:38 Uhr  ·  #6
Sowas kommt vor ;)

Eins noch: Wie schon Windfried in seinem Artikel erklärt, solltest du mit der Auslegung in jedem Fall im turbulenten Bereich bleiben wollen. Bei diesen Geschwindigkeitsverhältnissen gibt es auch schon eine teilweise abgerissene Schicht (hier an #6, auch Totwassergebiet genannt). Aber erst wenn die Strömung vollkommen abreisst, geht der Auftrieb dadurch verloren - was eben deinem angepeilten Stall-Zustand entspricht.


Gruß
Thorsten
Pleiades
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Re: Hilfe beim Lesen der Profilcharakteristiken

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Gepostet: 10.01.2011 - 15:53 Uhr  ·  #7
Nur nebenbei und der Vollständigkeit halber:
Ich hab mich heute schlau gemacht: Der größere Anstellwinkel beim endlichen Profil ergibt sich tatsächlich durch ein Auffüllen des Unterdruckgebietes durch die am Flügelende vorbei strömende Luft.
Windfried
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Wodurch Stall?

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Gepostet: 02.02.2011 - 19:24 Uhr  ·  #8
Inzwischen möge wieder klar sein, dass der Stall (strömungsabriss) natürlich durch zu hohe Anstellwinkel provoziert wird. Die Höhe deren ist dann
1. vom Profil abhängig, bei asymmetrischen noch von der Lage zur Strömung und
2. dann ganz richtig von der Reynoldszahl.
Um davon ne Vorstellung zu haben, dazu hilft vielleicht des untere Bild B6 in diesem Beitrag Forum/cf3/topic.php?p=19216#real19216 Die Quelle davon ist darüber verlinkt. Da gibt es auch weitere Angaben dazu, wie sich denn ein Profil bei Anströmwinkeln weit über dem Stall benimmt und bei Verschmutzung. Letzteres ja bei WKAs nicht ganz unrelevant.
Übrigens sollte man Profile ohne Not nicht "bis zum Schmerz" aus reizen. Die Gleitzahl, definiert als Ca/Cw, ist eine Art Gütekriterium im Arbeitspunkt.
Das kann nicht hoch sein kurz vor dem Stall. Bei HAWT belässt man es für den Anströmwinkel um 6° und hat damit bei einer Bö bis zum Stall noch reichlich Reserven.
Gruß vom Windfried
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