Was machen die Großen?

Hinterkanten der Blätter gezackt
 
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Was machen die Großen?

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Gepostet: 19.11.2019 - 20:25 Uhr  ·  #1
Hallo,
war am Jubiläumstag des Mauerfalls auf dem Weg nach Berlin. Unterwegs einen Flügel einer Groß-WEA gesehen, nicht weit von der Straße. Gehört zu einer wirklich großen und modernen Anlage. Denke mal, 3 Jahre alt.
Bevor sie den Flügel weg räumen, dachte ich, da musst Du hin. Auch wenn die Schuhe nach 100m durchs Feld entsprechend aus sahen.
Sieht man nicht alle Tage. Lasse Euch daher an den Eindrücken Teil haben.

 

Gesamtsituation

 

Blattspitze

Zu sehen A das Endprofil - asymmetrisch, nicht wie hin und wieder empfohlen wird - symmetrisch.
B Öffnungen zum Auswerfen des Kondenswassers.
C Eine Art Knopf aus Metall. Das ist ein Blitzfänger, auf der Profilunterseite auch noch mal. Dazwischen befindet sich im Flügel wahrscheinlich wieder ein mindestens faustgroßes Gussstück. So massiv, damit sich die Erwärmung bei Blitzschlag in Grenzen hält.
Interessant, dass sich die Blitzfänger ca 300mm unter der Blattspitze befinden. Die Blitze nehmen den widerstandsärmsten Weg, und das ist nicht der duch die Blattspitze. Darf natürlich nur aus GFK bestehen, ganz ohne Kohlefasern.
Kondenswasser-Auslass tunlichst auch noch vor dem Blitzableiter!

Dann kommt was ganz Interessantes. Gezackte Aufkleber auf die Hinterkante. Nicht beginnend an der Blattspitze (dafür wahrscheinlich Aufkleber nicht klein genug verfügbar), aber etwa auf 1/3 Blattlänge runter gezogen. Das scheint neu zu sein und dient der Schallreduktion. Hat Anlehnung an Eulenflügel.
Durch die Zacken werden die sich ablösenden Wirbel in viele kleine Teilwirbel zerlegt, die insgesamt leiser sind und eine gefälligere Akustik bilden.
Nicht ausgeschlossen, dass es auch bei solchen Klein-WEA, die unangenehme Geräusche machen, sinnvoll ist, die Hinterkante mittels 3-Kantfeile ein zu kerben. Vielleicht zunächst den Blattspitzen-Bereich. Aber vorsichtig! Nicht dass das Innere des Blattes anschließend Wasser zieht.

Abschließend noch die Uhrsache, weswegen der Flügel abgenommen worden ist.

 

Schadstelle im Mittelteil

Habe lange gerätselt, was da wohl dagegen gekracht sein könnte. Schließlich können Kühe nicht fliegen.
Denke aber, dass es sich um einen Chrash beim Bodenhandling handelt, der repariert worden ist, aber wieder aufgebrochen.
Material da vorne GFK. Kohlefaser wird man bei den Gurten finden, dort, wo die Profile ihre größte Dicke haben.

Masse so eines Flügels übrigens 17 Tonnen. Und 1/10 davon wird er auch gekostet haben, in Millionen, ungefähr.
Menelaos
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 20.11.2019 - 10:33 Uhr  ·  #2
Neulich entlang bzw. nahe der A1 stand eine Anlage gleichen Typs mit abgebrochenem Rotorblatt das am Boden lag, die Blattwurzel hing noch an der Rotornabe. Das muss aber ordentlich geknallt haben...
Che
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 20.11.2019 - 17:48 Uhr  ·  #3
Mag auch daran liegen, dass es nicht mehr Fachkräfte sind, die die Entscheidungen treffen, also Ingenieure, sondern Finanzer.
Gruß A.
ora
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 20.11.2019 - 20:06 Uhr  ·  #4
Die Dinger werden z.T. von Hilfsarbeitern zusammengebaut.

Die Zacken da sind "serrated trailing edges" und gegen Lärm.
Funktioniert im Windkanal prima, in der Praxis gar nicht. Habe ich mal gehört.

Lustig, wenn man den Blitzfänger sieht: Er macht Lärm, weil er zu weit rausschaut.
Und bei der dicken Hinterkante muss man mit so was schon mal gar nicht anfangen.

Auf Details Wert legen - aber die Grundlagen nicht verstehen.

ora

Ist ein GE-Blatt, oder?
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 20.11.2019 - 20:13 Uhr  ·  #5
Die 2 bis höchstens 3 mm vom Blitzfänger machen den Kohl nicht fett. Besser, als wenn Laminat sonst vom Blitz angekohlt wäre.
..."aber die Grundlagen nicht verstehen." Bist Du so vollkommen, dass Du Dich so weit aus dem Fenster lehnst?
Und "die dicke Hinterkante" geht aus meiner Sicht i.O. Es ist vor ca. 100 Jahren schon untersucht worden, dass man Profile bis 10% kürzen kann, ohne dass sich die Werte exorbitant verschlechtern.
ora
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 20.11.2019 - 20:50 Uhr  ·  #6
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 20.11.2019 - 21:14 Uhr  ·  #7
Das Problem beim Blitzschutz ist, dass er nicht aus der Grenzschicht herausschauen sollte.

LM hatte einmal ein Patent, dass sie den Blitzschutz ganz an die Spitze gesetzt
haben und dadurch ein Loch für den Wasserablauf (das sind ja oben 3 Löcher).
Die Idee war eigentlich gut - bloß pfiffen manche Blätter wie eine Orgelpfeife.
Haben sie alles zugeschmiert und wieder normal gebohrt.

ora
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 21.11.2019 - 21:40 Uhr  ·  #8
Bezüglich Link im vorigen Beitrag: Danke sehr! Wieder was gelernt.
Es ist also zusätzlicher Lärm in unangenehmen Frequenzen, den relativ dicke Hinterkanten erzeugen.
Wobei eine gewisse Dicke für sicheres Handling sein muss.

Ist also aus Bild 92 a und 93 zu entnehmen, dass am Beispiel - bei 609 mm Cordlänge 1,1 mm Hinterkante, also 0,18% akustisch nahezu ohne Belang ist. Möglich, dass von den Entwicklern das nicht jeder weiß.
Das ist technisch scharf und gewiss eine Herausforderung.

Da mag das Draufpappen der Zackenbänder auf die Unterseite ne zusätzliche Bastellei sein, die den Erfolg teilweise wieder zunichte macht. Hatte da auch meine Zweifel.

 


Integration in die Hinterkante wäre wohl besser, also Anfräsen derselben, aber nicht so intensiv. Vorher wahrscheinlich leichte Blattverbreiterung.

Der Vollständigkeit halber hänge ich im Anhang noch den Wissensstand von Prandtl und seiner Mannschaft an, vermutlich um die 100 Jahre alt. Bezog sich allerdings nur auf die aerodynamischen Größen, mit der Schlussfolgerung auf S. 85, Ich zitiere:

 

Damals wollte man in erster Linie in die Luft kommen. Akustik war Nebensache.
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 22.11.2019 - 00:31 Uhr  ·  #9
Danke für die Bilder erstmal. Sowas liebe ich.
DAs ist selbsterständlich richtig: Profile kann man hinten Abhacken und bei der Leistung tut sich so viel nicht.
Im Blattwurzelbereich finde ich das sogar sehr sinnvoll.

Nur im Blattaußenbereich, wo Lärm (und Anwohner) eine Rolle spielen, würe ich von dicken Hinterkanten die Finger lassen.
Das ist auch ein bisschen schwierig: Da hat man 10 Blätter- und 2 machen Lärm. Und dann gibt's Ärger.
Also: Es ist nicht zwangsläufig so, dass so ein Blitzschutz Lärm macht- nichtsdestotrotz würde ich ihn so nicht bauen.

Fakt ist, dass der Lärm mit der dritten bis zur 5. (!) Potenz der Geschwindigkeit zunimmt - je nach Mechanismus- das ist in der NACA-Veröffentlichung drin.
Enercon scheint da Probleme gehabt zu haben, denn sie sind mit der Blattspitzengeschwindigkeit irgendwann mal 1/2(!) m/s runter. DAs tut man nicht ohne Not.

Die Zackenbänder habe andere Gründe: die sollen eine Transition von Laminar zu turbulent bewirken:
Wenn eine laminare Strömung über die Hinterkante läuft- dann pfeift es mit 2000 Hz- und das ist unerträglich.
Diese blöden Zackenbänder halten aber nicht richtig auf Dauer.
Diese Klebstoffe sind ja selbst im Hochsommer voller Sonne ausgesetzt.
Auf der Unterseite der Tragfläche von Segelflugzeugen ist das nicht der Fall.

Es muss halt alles 100%ig laufen: Wenn man da hoch ans Blatt muss, wird's teuer.

Da hat mal ein Blatt gepfiffen- woher das kam musste festgestellt werden.
Kollege - Segelflieger(!) hat dann irgendwann einen Lappen um die Blattspitze gewickelt -
dann war der Lärm weg.
DAnn wusste man, wo er herkam- und dann konnte man ihn abstellen.
Übrigens kam der Lärm von einem NACA 0012 als Spitzenprofil.

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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 22.11.2019 - 19:54 Uhr  ·  #10
Zunächst einmal, Firmenabkürzungen wie LM oder GE kennt hier keiner. Blatt tatsächlich von Letzteren, was auch immer das heißt.

 

Foto aus dem Inneren der Blattwurzel

Eigentlichen Turbinenbauer konnte ich nicht feststellen. Erinnere mich aber, dass auch Siemens solche Zackenbänder verbaut hat.

Bevor es zum Dogma erhoben wird, die Sache mit den 0,18 ... 0,2 % Hinterkanten-Höhe, mal noch etwas Diskussion dazu.
Ist es doch von der Stabilität her eine Illusion. Im Foto ist von Trittsicherheit 300 kG die Rede. Auch müssen 17 Tonnen zur Gondel rauf.

Kann es sein, dass diese Geräusche besonders die symmetrischen Profile machen, und besonders bei Anstellwinkel 0°?
Anlass der Vermutung ist ein Versuch, den ich mal vor Jahren gemacht habe.
Hatte Rohmaterial für Segellatten in der Hand. Ca. 2mm dick; Breite vielleicht 40 mm, GFK.
Habe dieses hochkant wie ein Schwert duch die Luft sausen lassen. Erzeugte pfeiffende Geräusche wie bei einem Stock. Karman-Wirbel wahrscheinlich.
Dann hatte ich dieses "Schwert" ein klein Wenig geneigt durch die Luft gezogen, quasi mit Anstellwinkel. Ergebnis: Es blieb auffallend ruhiger.
Ansich ist eine gerade Platte auch so etwas wie ein symmetrisches Profil.

Wäre zu fragen, ob leicht asymmetrische Profile mit dickerer Hinterkante auch so laut sind.

Um den Bogen wieder zur Kleinwindkraft zu schlagen: Gut, dass bei Rohrblatt-Anlagen (ROWI-Tool) durch 5 Blätter und mehr die Nenn-TSR runter gedrückt wird. Sonst würden sie wohl deutlich hörbar auf sich aufmerksam machen. Bleibt doch die Hinterkante i.A. so dick wie die Wandstärke vom Rohr eben ist. 5mm? 6mm?
ora
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 22.11.2019 - 20:44 Uhr  ·  #11
GE=General Electrics -
LM =Lunderskov Meubles: Ehemalig größte externe Rotorblattfirma (Aus einer dänischen Möbelfirma hervorgegangen), nun von GE gekauft.
"Ponferrada" (s. oben) - in Spananien gebaut.


Ora
Carl
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 24.11.2019 - 21:09 Uhr  ·  #12
Spananien ist OK, hauptsache Du sagst nicht Bananien. Aber sonst: Ich bin beeindruckt! Hier tut sich was!
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 24.11.2019 - 21:55 Uhr  ·  #13
Na das geht ja runter wie Öl.
WindigerPaul
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 11.12.2020 - 13:41 Uhr  ·  #14
Die Bilder finde ich beeindruckend. Sonst sieht man die riesigen Windradflügel ja nur von weitem.
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Re: Was machen die Großen?

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Gepostet: 11.07.2022 - 18:59 Uhr  ·  #15
Neben 9 EUR-Ticket auch mal Auto benutzen müssen. Hatte Kanu auf dem Dach.
Bei Rückfahrt von der Müritz auf einem Rastplatz voll beglückt worden mit einem parkenden Rotorblatt, mit Schwerlasttransport dran. Also Smardphone gezück und einmal drum rum gelaufen. Fotos wie folgt.

 

Oben Turbulatoren, damit die Strömung halbwegs um ein sehr dickes Profil herum geleitet wird.

 

Andere Seite. Gekapptes Profil Nähe Nasenwurzel, s. Pfeil. Hier gehts i.O. Nähe Blattspitze wäre es weniger gut.
Nicht wegen enorm verschlechterter Profildaten, sondern wegen Lärmentwicklung. Weiß ich von Ora.
Man sieht verschlossene Inspektionslöcher. Da kriechen die bei der HU, alle 4 jahre, rein. Innen Stehhöhe.

 

Wo ein Flügelblatt ist, sind die anderen nicht weit. Und für jeden LKW ein Begleitfahrzeug!

 

Schöner Himmel, nicht wahr. Formverzeichnungen des Flügels wegen Weitwinkel-Objektiv

Gezahnte Hinterkante, um Wirbel in kleine Teilwirbel aufzuteilen >> Lärmreduktion.
Geht aber nicht bis zur Blattspitze, möglicherweise aus transporttechnischen Gründen.
Die 3 kreisrunden Elemente auf der Unterseite sind Blitzfänger. Man sieht nur die Durchlässe durchs Laminat. Intern massiver Guss, mindestens faustgroß. Ist wegen Wärmekapazität. Darf bei Blitzeinschlag nicht so warm werden, dass Harz geschädigt wird.
Nicht an der Blattspitze, weil: Wenn Laminat an dieser frei von Karbonfasern, also isolierend, sucht sich der Blitz den Weg des geringsten Widerstandes. Der geht offensichtlich durch die Luft und nicht durch das Laminat.

 


Einzelheit gezahnte Hinterkante. Nicht nur einseitig aufgepappt wie hier Forum/cf3/modules/cback_mediam…2_2333.jpg sondern besser an Progfilhinterkante angepasst.

Und dann kam ein Begleitfahrzeug und ich konnte mit dem Fahrer sprechen:
Blattlänge 80 m, gäbe auch welche mit 120m. NORDEX, aus Rostock. Aber generell quasi keine Fertigung mehr in D, nur noch Restbestände. Ausgelagert z.B. nach Vietnam.
Dann seine Meinung: Hätten sie doch besser die Atomkraftwerke behalten. Und dann WEA-Teile transportieren müssen. Schwer ist der Beruf.
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Gepostet: 08.09.2022 - 14:09 Uhr  ·  #16
Größenverhältnisse

 


Dabei ist das nur ne kleine Enercon.
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